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Cyberpunk 2077: Fazit zur gamescom 2019-Demo von blaublut

Datum: 25.08.2019
Autor: Blaublut

Ich möchte dieses Fazit mit einem Satz beginnen, den ich so in den letzten Jahren nicht verwendet habe, egal wo und egal gegenüber wen auch immer. Aber er kommt mir vom Herzen und ich muss ihn einfach an dieser Stelle los werden, weil es gerade so wunderbar passt. Okay, Trommelwirbel, Pirouette links, und eins und zwei und drei: Diese gamescom war einfach nur geil! So, jetzt ist es gesagt, oder eher geschrieben. Und der Satz ist absichtlich fett formatiert, damit diese, vom Herzen kommende, und ganz und gar nicht sarkastische Aussage (nein, wirklich nicht, auch wenn es jetzt doppelt und dreifach so klingt), auch wirklich, mit der Präzision eines erfahrenen Mantis Blade Klingen Benutzers in Fleisch und Blut übergeht (das letzte war jetzt fies, oder?).

Aber warum war diese gamescom, Anno 2019, denn so unfassbar geil? Lag es etwa an der diesjährigen Spieleauswahl, weil wir einfach einen so guten Jahrgang erwischt haben, und ein potenzieller Hit den nächsten jagte, wie ein Messestand sich an den nächsten reiht? Oder lag es daran, dass wir für ein Probespielchen nie länger als 15 Minuten anstehen mussten, egal, um welches Spiel es sich letztendlich handelte? Oder machten die, dieses Jahr einfach nur atemberaubenden Cosplayer den Unterschied, die uns mit ihrer Handwerks- und Schauspielkunst verzückten und mal einfach nur cool, einfach nur heiß, oder beides gleichzeitig waren? Oder (mein Favorit) war diese gamescom so geil, weil ich endlich, endlich, endlich den Mann persönlich, live, ganz real und in HDR treffen durfte, der mir eines meiner absoluten Lieblingsspiele beschert hat, nämlich Yu Suzuki mit seinem Baby Shenmue!? Müßig zu erwähnen, dass es von diesem "Breathtaking"-Moment ein Foto gibt, und ein Autogramm, an passender Stelle, als Sahnehäubchen oben drauf auch nicht fehlen durfte.

Oben geschilderte Szenarien sind mal wahr und mal komplett erfunden; sie sind mal reines Wunschdenken und mal ein wahr gewordener Traum. Das wahrhaftig Eingetretene kann man dabei auch durchaus als geil bezeichnen, aber sie sind weder der springende Punkt, noch gehen sie auf den Kern dieses Fazits ein. Also warum fand meine Wenigkeit diese gamescom denn nun so geil? Nun ja, wie ihr euch vielleicht schon denken könnt, liegt es an nur einem Thema: Cyberpunk 2077.

Und damit darf dieses Fazit dann auch so richtig an Fahrt aufnehmen. Ich hoffe, ihr seit nicht von der Yaiba Kusanagi gefallen. Das Tempolimit ist noch nicht erreicht und Verkehrsschilder werden sowieso gewissenhaft übersehen.

Ich durfte die gamescom heuer zwei Tage besuchen und ging positiver gestimmt wieder raus, als ich reinging. Nicht, dass ich mich mit negativen Gedankengut nach Köln geschleppt hatte. Aber das es am Ende so (und da ist es wieder) geil wird, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet.


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Mir war es leider nicht vergönnt, an der, der Presse vorbehaltenen Präsentation teilzunehmen. Mich trieb es stattdessen in den öffentlichen Bereich, wo die im Dickicht der Messestände lauernde, neongetränkte und auf Showsteeler getrimmte Anaconda auf mich wartete. Sie war, wie es vorauszusehen war, äußerst hungrig und machte auch keinen Hehl daraus, schlängelte sie sich doch zu Spitzenzeiten bis zu drei mal um ihren zuckenden Schlund, der jede halbe Stunde um die 60 bis 80 Leute in sich aufnahm, im äußersten Falle aber auch mal sieben Stunden ausharren von seiner Anhängerschaft verlangte.

Jetzt bin ich Blaublüter nicht gerade für meine Geduld bekannt. Warten ist für mich kein Privileg, sondern eher eine Strafe. Ich bin zwar durchaus in der Lage einen auf Chamäleon zu machen (kann also, wenn es denn sein muss, auch mal "einige" Zeit in Andacht ruhen). Aber den Respekt, mehrere Stunden mit anderen in einer Schlange anzustehen, werde ich mir wohl nie verdienen. Musste ich dann aber zum Glück auch nicht. Denn dank schöner Umstände und eines wunderbaren Teamkollegen (alle Finger zeigen auf den lieben Diego), war es mir dann doch vergönnt, mit einem Doppelsprung ins Maul der Anaconda zu hüpfen und mir in deren Inneren immerhin 25 Minuten Cyberpunk 2077 zu Gemüte zu führen.

Jetzt fragt ihr euch sicherlich, wie es mir gefallen hat - denn immerhin seit ihr dafür ja hier. Ich könnte jetzt die Superlative auspacken und euch mit schönen, nur zu gerne vernommenen Worten überhäufen. Aber erstens ist das nicht mein Stil, und zweitens braucht es das auch gar nicht.

Denn sind wir mal ehrlich: CD Projekt RED hätte diesen ganzen Trubel und das viele Tamtam nicht gebraucht, ist Cyberpunk 2077 doch sowieso schon, auch ohne fetter gamescom-Präsentation, in aller Munde und das gehypteste Spiel der letzten Jahre. Die Jungs und Mädels aus Warschau hätten der Messe fern bleiben können, ohne, dass sich dies in irgendeiner Weise negativ bemerkbar gemacht hätte. Natürlich wäre manch einer auf den Nörglerzug aufgesprungen ("Warum sind die denn nicht in Köln? Haben die sie nicht alle?") oder hätte faule Eier aka Aggro-Chants in Richtung Grenze geschmissen. Man kann es halt nicht jedem Recht machen. Ich möchte auch gar nicht meine Meinung dazu kundtun, was ich davon halte, dass die PAX West Präsentation jetzt doch etwas anders ausfällt, als ich, und die meisten (vor allen unsere Freunde in Übersee), sich das bis vor einigen Tagen noch gedacht haben (siehe hierzu unsere News).

Ich bin am Ende des Tages einfach nur froh, dass CD Projekt RED den Schritt gemacht haben, nach Köln zu kommen und die Möglichkeit geschaffen haben, der gierigen Meute einen näheren Blick auf eines der nächsten großen RPG-Highlights werfen zu lassen (Eier waren übrigens genauso verboten wie Mitfilmen und Mitschneiden im Vorführraum - manch einer hatte es wohl trotzdem versucht und musste mit den Konsequenzen leben).

Der oben angesprochene Doppelsprung ist dabei sogar wörtlich zu nehmen, durfte ich mir die Präsentation doch zweimal anschauen, an zwei aufeinander folgenden Tagen, und dank Fastpass ohne langes, kräftezerrendes Anstehen (meine Geduld, ihr wisst schon).

Und weil es mir vergönnt war, möchte ich doch auch einige Worte zur Cyberpunk 2077 - Präsentation loswerden, damit ihr meinen persönlichen Hype etwas mehr verstehen und vielleicht sogar für euch nutzen könnt.

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In unserer Mega-Zusammenfassung sind wir bereits näher auf den Inhalt der (längeren) Präsentation eingegangen (Kiroshi-Näher sogar). Für ein Fazit üblich, möchte ich jetzt auf die Dinge eingehen, die mir an der Demo gut und die mir weniger gut gefallen haben; Dinge, wo ich denke, dass es so genau richtig ist, oder wo ich noch Verbesserungspotenzial erkenne.

Was Cyberpunk 2077 schon zum jetzigen Zeitpunkt trägt, ist zweifelsohne die Stimmung, welche erzeugt, und die damit einhergehende Atmosphäre, welche geschaffen wird. Egal ob wir uns in einer Einkaufshalle befinden oder unter freien Himmel - diese Cyberpunk-Kulisse ist eine wahre Offenbarung für jeden Fan dystopischer Science Fiction und eine Freude für jeden, der die Schönheit selbst im Elend zu suchen imstande ist. Night City lebt und atmet, und mit ihr jeder Bewohner und jedes in der Spielwelt platzierte Objekt - und sei es noch so klein und unbedeutend. Klingt kryptisch? Ist es auch! Aber Tatsachen soll man ja nicht ungeschehen machen.

Bereits The Witcher bot eine Welt, in der man sich verlieren konnte, weil sie einem einfach magisch aufsaugte, wenn man sich einmal darauf eingelassen hatte. Man wurde ein Teil dieser Welt, ja, ein Fan, möchte ich sogar sagen. Man lernte sie schätzen und verstehen und nahm sie als Ganzes und etwas, für das Spielerlebnis, äußerst positives wahr.

Es wäre ein Jammer, sollte CD Projekt RED es bei Cyberpunk 2077 nicht wieder schaffen, eine solche Welt zu kreieren. Doch alle Anzeichen stehen auf Wiederholung, denn, wie oben bereits geschrieben, stimmt zumindest das bisher Gesehene, was Stimmung und Atmosphäre angeht. Wenn der Rest von Night City so begeistern kann, wie der kleine Pacifica-Abstecher, dann dürfte man an der Open World und deren Aufbau nichts wirklich auszusetzen haben.

Viel zum Erlebnis beitragen, tun auch die Charaktere, allen voran natürlich unser Protagonist V und die für die Haupthandlung wichtigen NPCs, wie Johnny Silverhand und Placide. Zusammen mit der Geschichte tragen sie das Korsett, welches die Spielwelt auf Spannung hält. Und auch wenn man von der Geschichte nicht viel zu sehen bekommen hat, da das Gameplay klar im Fokus stand, so wurde doch zumindest dem Aufhänger der Mainstory in dieser (vermeintlichen) Hauptquest konsequent angehangen. Als V sind wir in Pacifica, weil wir mehr über den Unsterblichkeitschip erfahren möchten, welcher immer noch als Mitbringsel in unserem Kopf steckt. Wir wollen zu einer bestimmten Person und müssen, wie es für einen Söldner üblich ist, den Job machen. Wir suchen Antworten auf die Fragen, die uns als V beschäftigen und interagieren mit Personen und greifen auf Optionen zurück, die zum Ziel führen sollen und es offensichtlich auch vorhaben, weil sie sich dem storygetriebenen Erlebnis verschrieben haben.

Man merkt, dass im Hintergrund der Geschichtenerzähler lauert. Man erwartet es ja sogar schon von CD Projekt RED, dass sie uns auf eine epische Reise mitnehmen. Man sieht es aber bereits auch schon in den kleinen Gesprächen und kurzen Andeutungen. Da versteht jemand sein Handwerk und arbeitet auf einer Bühne, die noch soviel mehr bereit zu halten scheint, wie wir bisher zu sehen bekommen haben.

Doch natürlich kommt es auch auf das Gameplay an. Das ich bisher so viel über die geschichtsrelevanten Themen geschrieben habe, liegt einfach daran, dass diese mir sehr wichtig sind. Da kann ich auch mal über kleine Schwächen im Gameplay hinwegsehen. Moment mal! Schwächen? Die gab es für mich persönlich eigentlich nicht wirklich. Das Gelieferte wirkte rund und wahnsinnig spaßig, weil auch jederzeit die Vision hinter allem erkennbar war. Man kommt auch nicht umhin, diese Gameplaymechaniken mit Deus Ex zu vergleichen - nur halt in einer Open World. Es wirkte hier und da wie eine Kopie, aber eine gute Kopie, die deutlich runder und befriedigender lief, als das Quasi-Vorbild und ähnlich gelagerte Genrevertreter.

Mir gefiel, was in den knapp 25 Minuten der Demonstration geboten wurde. Vom Gunplay, über das Schleichen, bis zum Hacking (als Minispiel) wurde vieles, zumindest kurz, angeschnitten. Kein Baustein wirkte dabei fehl am Platz oder schlecht umgesetzt. Zur letztjährigen Demo hat sich dabei nicht einmal allzu viel getan. Der Feinschliff ist hier nur erkennbar, der über das letzte Jahr ins Spiel geflossen ist. Immer noch wirken die Shootereinlagen nicht wie in einem Halo, aber sie können durchaus überzeugen und werden selbst diejenigen zufriedenstellen, die als Rambo durch Night City ziehen möchten. Die Schleichmechanik scheint möglichst einfach gehalten zu sein. Man kann sich nicht aktiv verstecken, ist aber in der Lage auf viele Hilfsmittel und Gadgets zurückzugreifen, die diesen Spielstil zugute kommen. Beim Hacking pendelt sich die Mechanik derzeit scheinbar noch irgendwo zwischen banal (beim Quickhacking) und irgendwie kompliziert an. Für einen erfahrenen Netrunner sollte dieses Element keine große Hürde darstellen und könnte im Endgame sogar zu einfach werden. Ohne, dass man selber Hand ans Spiel gelegt hat, kann man sich darauf aber keinen endgültigen Reim drauf machen.

Am Anfang der Demo sah man auch kurz den Charakterbildschirm samt Inventar, sowie den Fertigkeitenbaum. Ersterer wirkte sehr übersichtlich, bot dabei aber dennoch viele Möglichkeiten seinen Charakter individuell zu gestalten und anzupassen. Vom Scheitel bis zur Sohle können Änderungen vorgenommen werden, die mal nur ein neues Kleidungsstück betreffen, mal aber auch direkt auf eine bestimme Cyberware abzielen. Der Fertigkeitenbaum gliederte sich indes in einzelne Kategorien, wie z.B. Shotgun oder Mantis Blades. In jeder Kategorie können bis zu (derzeit) fünf Anpassungen vorgenommen werden. Die Shotgun-Fertigkeit kann somit, auch unabhängig von einer Waffe, aufgelevelt werden - so schien es mir zumindest. Wie das aber genau funktioniert, und ob man die einzelnen Kategorien wechseln kann (da deren Anzahl limitiert scheint), konnte in der kurzen Zeit und ohne näheres Wissen, nicht eruiert werden.

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Wenn ich mich für eine Szene entscheiden müsste, die mir am allerbesten gefallen hat, so wäre dies wohl die Fahrt mit der Yaiba Kusanagi zur Grand Imperial Mall, dem Stützpunkt der Animals-Gang. Vom Hideout der Voodoo Boys ging es geradewegs ins Herz von Pacifica. Die Wolkenkratzer des City Center Distrikts im Rücken, ging es vorbei an einer riesigen Reklametafel, die redlich darum bemüht war, den Schein eines Vorzeigeviertels zu bewahren. Doch die Seifenblase zerplatzte in Sekundenschnelle, als wir unter einer Unterführung hindurchfuhren, vorbei an ausgeschlachteten Autowracks, brennenden Mülltonnen und den Bewohnern Pacificas in ihren Zelten. Die Grand Imperial Mall selbst, mit dem Riesenrad zur Linken, hätte dann noch etwas Erhabenheit versprühen können, hätten wir es bei einem Blick aus der Distanz belassen. Die Schönheit dieses Viertels, und damit unser Fahrt zur Mall, liegt in ihrer entschiedenen Abkehr von jeglicher Schönheit und allem was als schön angesehen wird. Dadurch, dass wir der Wahrheit ins Auge gesehen haben, indem wir Pacifica so kennen gelernt haben, wie es nun einmal ist, wurde uns die Botschaft dieses Viertels wunderbar treffend vermittelt. Was wir jetzt noch mehr wollen, als zuvor: Pacifica von Nord nach Süd, von West nach Ost, auseinandernehmen und keinen Stein auf den anderen belassen. Wir sind angefixt und verlangen nach mehr, weil CD Projekt RED uns mit dem Blick über die Klinge restlos überzeugen konnte.

Als abschließendes Fazit bleibt zu sagen: Mit der Cyberpunk-Experience scheinen CD Projekt RED auf dem richtigen Weg zu sein. Die Präsentation gab der Hoffnung einen neuen Schub, dass Cyberpunk 2077 groß werden kann, nein, groß werden wird. Jetzt darf bis zum Release nur nichts mehr schief gehen und wie in einem großen Getriebe müssen die, auch von uns noch nicht gesehenen, Elemente ineinandergreifen. Sollte das gelingen, erwartet uns das nächste Rollenspielhighlight aus dem Hause CDPR.

Die letzten Worte möchte ich an die vielen unerschrockenen und unerschütterlichen, aber ungezählten Punks richten, die sich auf der gamescom der Anaconda (ja, ganz richtig, es war die ganze Zeit der Stand von CDPR gemeint) gestellt haben, und dabei teilweise mehrere Stunden in unbändiger Vorfreude ausgeharrt haben. Und die nicht (zumindest nicht offensichtlich) gemeckert haben, als ein paar Auserwählte mit gelben Kärtchen vor den Nasen der CDPR-Crew rumgewedelt haben und eine Sonderbehandlung verlangten. Ihr seid meine Helden, und euch ist dieses Fazit gewidmet, weil ihr alle einfach so geil (!) seid und den Entwicklern gezeigt habt, was für eine f***ing treue und begeisterungsfähige (schmerzresistente trifft es auch) Community ihr doch seid. Ich hoffe, dass euch das Gesehene begeistert und sich das Abenteuer für euch gelohnt hat. Ich verbleibe in Dankbarkeit und Ehrfurcht. Ciao und bis zum nächsten Fazit.

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